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Veröffentlicht am 12. Mai 2024 um 19:07

Rezension von Matthias Schramm:

Wenn ich erlebe, dann erinnere ich mich. Und wenn ich mich erinnere, dann versinke ich einerseits in Ohnmacht, weil das Geflecht der Erinnerung an sich substanzlos ist, weder Körper noch Wort besitzt, sich nur schwer in den Raum fallen lassen kann, und andererseits fehlen mir oft die Worte, die für die nötige Präzision sorgen, einer Erinnerung Figur verleihen zu können. Daraus resultiert Verlust, die unausweichliche Vergänglichkeit von Erinnerungen, damit einhergehend das tiefe Unvermögen, Gefühle, Erinnerungen und Gedanken, die aus den Erinnerungen resultieren, in Worte zu fassen. Es ist unglaublich schwer, ein angemessenes Alphabet für eine Grammatik zu finden, für etwas, das uns derart entgeht.

Und hier setzt der Lyrikband „zwischen die kriege geworfen“ von Philipp Létranger an.

Was wird dann aus diesen konturlosen Körpern, wenn ich mich erinnere? Ist es die Klarheit und die Schärfe, wie ich fühle, wenn ich mich erinnere? Dieser Kreislauf gleicht der Dialektik von Präsenz und Abwesenheit: Es sind die Schatten, die in die Falten des Lichts schlüpfen, und das Licht, das in den Schatten schläft. Spuren, die ich nicht löschen kann. Spuren, die ich nicht leben kann. 

Es ist die Macht und Ohnmacht der Worte, diese Paradoxie in Philipp Létrangers Werken, die mich als Leser zu einer unfassbar schönen Melancholie trägt. Melancholie ist das Glücklichsein der Traurigkeit. Allein darin befindet sich bereits dieser kaum zu fassende Kreislauf von Erinnern und Vergehen, Unbekanntem u. Unausgesprochenem. Die Werke buddeln sich durch das dichte Wurzelwerk des harten Erdbodens und das lyrische Ich geht den Dingen auf den Grund, fühlt sich ein, weint, struggeled, hofft, richtet sich auf und ist demütig. Die thematische Wiederkehr des Vergangenen und des Erinnerns verweist auf die Unmöglichkeit, sich vollständig von der Vergangenheit zu lösen, und auf die Präsenz dieser Vergangenheit in jeder Gegenwart. Die Gedichte untersuchen diese Ebenen mit einer großen Reife und großem Respekt vor dem Leben.

Wie ich finde, ist das Werk wunderschön und verdient eine klare Leseempfehlung für all jene, die sich gern in die Mikroskopie von Lyrik verlieren können und dabei Musikalität schätzen. Die Werke von Philipp Létranger haben davon mehr als genug. 

 

Rezension: 

https://matthias-schramm.de/rez.html

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